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Teil 2: Von der Niederländischen Flüchtlingsgemeinde zur Altfrankfurter Französischen Gemeinde

Die Besonderheit der Niederländischen Gemeinde zeigte sich vor allem in den von ihr verwendeten Sprachen. Die Gottesdienste wurden in französischer Sprache gehalten. Das gab es sonst im alten deutschen Reich bei lutherischen Gemeinden nur noch im württembergischen Montbéliard und in einigen Gesandtschaftskapellen. Das gotische Gebäude der Weißfrauenkirche wurde bis zum Ende des 18. Jahrhunderts als die „Französische Kirche“ bezeichnet. In den französischen Gesangbüchern, die zwischen 1674 und 1740 in sechs Auflagen speziell zum Gebrauch der Frankfurter „Niederländer“ gedruckt wurden, wird der Gottesdienst der Flüchtlinge und ihrer Nachkommen als L´Eglise Françoise, qui est à Frankfort sur le Mein angesprochen.
Gesangbuch von 1673
Während also für den Gottesdienst die Bezeichnung „Französische Kirche“ in Gebrauch war, haftete der Begriff „Niederländische Gemeinde“ allein am Almosenkasten und der zur Wahl seiner Vorsteher jährlich einberufenen Versammlung. Bei der Verwaltung des Almosenkastens hat sich die niederländische Sprache auch am längsten gehalten. Allerdings schon im Jahre 1636/1637 wechselten die Wahlbücher vom Niederländischen ins Hochdeutsche.
Anders als das Erscheinungsbild der Gesangbücher nahelegt, war die „Französische Kirche“ weiterhin nicht selbständig. Sie war nur eine der sieben lutherischen Predigtkirchen Frankfurts, an denen 14 Prediger die Seelsorge für die gesamte lutherische Bevölkerung versahen.
Gesangbuch von 1721
Rechtlich bildeten diese aber nur eine einzige große Gemeinde. Zwar feierten die Niederländer in der Weißfrauenkirche gemeinsam das Abendmahl. Zu den kirchlichen Amtshandlungen wie Taufe, Konfirmation und Hochzeit mussten sie aber weiterhin in die Frankfurter Hauptkirche gehen (die Barfüßerkirche, bauliche Vorgängerin der Paulskirche). Angebote der Niederländer, diese Verpflichtung durch eine großzügige Geldzahlung abzulösen, wurden wiederholt zurückgewiesen.
Johann Balthasar Ritter
Der Rat berief weiterhin die Pfarrer und lenkte sogar langfristig die Personalpolitik an der Weißfrauenkirche, indem er junge Theologen mit dem sogenannten Französischen Stipendium ausstattete, um im Ausland ihre Französischkenntnisse zu vervollkommnen. Die meiste Zeit amtierten zwei Geistliche nebeneinander, die beide den Titel „Teutsch- und Frantzösischer Prediger“ trugen.
Frei von Bevormundungen des Rates waren die Niederländer lediglich bei der Verwaltung ihres Almosenkastens. Hier war ihr Wirken so vorbildlich, daß im Jahre 1753 nach dem Vorbild der „Niederländischen Gemeinde“ eine sogenannte „Oberländische Gemeinde“ gegründet wurde, die durch freiwilligen Eintritt auch anderen Frankfurtern eine bessere soziale Absicherung gewährleisten sollte.
Das gesamte wirtschaftliche, künstlerische und geistige Leben Frankfurts hatte durch die Zuwanderer aus Antwerpen wichtige Impulse erhalten. Es ist kein Zufall, dass man in das Stiftungsjahr 1585 die Gründung der Frankfurter Börse datiert. Anders als Reformierten und Katholiken stand den Niederländern auch der Weg ins Stadtregiment offen.